Hörbericht Auna 501 BS-WN
Ein Pärchen Lautsprecher für 90 Euro – kann man das ernst nehmen?
Es gibt Zeitgenossen, die spontan einen Ausschlag entwickeln, wenn sie das Wort „Nussbaum” hören. Ich kenne das Gefühl: Mir geht es so bei dem Wort „schwarz”.
Als ich diese Lautsprecher das erst Mal auf der Homepage (www.auna.de) der Chal-Tec GmbH entdeckte, wurde ich schlagartig hellwach: „Wenn diese Lausprecher in natura so aussehen, wie auf den Abbildungen, dann muss ich sie hören...”
Was veranlasst einen mittlerweile ergrauten Audiophilen mit einem aktuellen Fundus von nicht weniger als fünf (vorwiegend kleinen) Lautsprechern sich ein sechstes Pärchen ins Haus zu holen, zum Preis von 90 Euro? Die Qualitätserwartungen sind da ja üblicherweise eher bescheiden. Andererseits habe ich als lebenslanger Techniker die Erfahrung gemacht, dass Sachen die gut aussehen, selten ganz schlecht sind. Also: No Risk, no Fun, just do it...
Nehmen wir einmal an, Sie haben sich – am anderen Ende der nach oben offenen Preisskala – ein Pärchen Harbeth P3ESR SE zum Preis von coolen 2.395 € gegönnt. Die sind in ihren Abmessungen direkt vergleichbar mit den Aunas, haben sogar eine englische Pinte (0,567 Liter) weniger Bruttovolumen. Ebenfalls gleich ist die Gehäusebauweise: Kein Bassreflex, sondern geschlossen, was im Jahre 2016 ja als exotisch gelten kann. Was würden Sie tun, nachdem Sie die Lautsprecher ausgepackt haben? Würden Sie die kleinen Schmuckstücke irgendwie verdrahten, ins nächstgelegene Bücherregal stopfen, und erstmal mit einem beherzten Dreh am Lautstärkepoti probieren, was die für einen Bass machen? Um dann festzustellen, dass man für 2½ Riesen auch etwas anderes bekommen hätte? Gehe ich recht in der Annahme, dass eine solche Vorgehensweise bei „billigen” Lautsprechern schon mal vorkommen kann? Wird man auf diese Art und Weise das wahre Potential eines Lautsprechers ausloten können?
Am Samstag, den 14. Mai 2016 brachte mir der Postbote ein Paket von knapp 8 kg. Beim Öffnen musste ich feststellen, dass die Styropor-Innenauskleidung der Verpackung regelrecht geschreddert war, das Paket musste absurde Schläge erfahren haben.
Zu meiner großen Beruhigung waren die Lautsprecher äußerlich unversehrt – und wenn möglich noch schöner, als erwartet: Die Verarbeitung und Folierung der Gehäuse ist tadellos, das Nussbaumdecor ist seidenmatt und äußerst geschmackvoll – so müssen Lautsprecher aussehen...
Für mich ist das Prozedere bei der Erprobung eines neuen Spielpartners stets das Selbe:
Nach dem Auspacken werden die Lautsprecher frei auf 60 cm hohe Stahlrohrständer gestellt und verkabelt. Die Aufstellung ist ein Stereo-Dreieck mit 2,8 m Seitenlänge in einem Wohnzimmer mit 22 m², der Abstand zur Rückwand beträgt etwa 1 m. Eine geringere Basisbreite würde die Boxen samt Ständer in akute Gefahr bringen, umgerannt zu werden. Die Lautsprecher sind auf den Hörplatz eingewinkelt.
Dann erfolgt eine erste Funktionsprüfung: Rundfunk Bayern 1 vom Kabel. Allererster Eindruck: Leise, ziemlich leise, so gut wie kein Tiefton, aber ansonsten bemerkenswert neutral. Hierzu muss ich anmerken, dass die Lautsprecher die ich unmittelbar zuvor gehört hatte, einen Wirkungsgrad von 93 dB/W/m aufweisen. Die 501 BS mussten also mit ein wenig Verstärkerleistung auf Trab gebracht werden werden. Nicht vergessen: Wir sprechen hier über den sogenannten „Auspackzustand”, d.h. null eingespielt...
Auf die Chassis-Bestückung werde ich in der Folge natürlich noch eingehen – hier erst einmal nur die Eckdaten: Tiefmitteltöner mit 115 mm (4,5”) Korbdurchmesser und einer Aluminium-Membran (!), Hochtöner mit einer 25 mm (1”) Gewebe-Kalotte.
Ein 4,5” Tieftönerchen in einem Gehäuse von immerhin 10,5 Litern Brutto-Volumen hat sicher keine Atembeschwerden. Äußerst ungewöhnlich: Es handelt sich wie bereits erwähnt um ein geschlossenes Volumen, nichts von wegen Bassreflex, der heute üblichen Gehäusenorm.
Bis Mitternacht des folgenden Sonntags hatte ich bereits 6 CDs abgehört – nicht einfach nur reingehört, sondern richtig durchgehört. Für einen solchen Umsatz gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen: Entweder die Verzweiflung, irgendeinen Tonträger zu finden, den der Lautprecher einigermaßen „kann” – oder das ganz andere Gefühl, hier vor einem Gerät zu sitzen, das Lust macht auf mehr...
Gleich nach der BR1-Aufwärmphase legte ich von Dani Klein & Sal la Rocca „Dani Sings Billie” (2015 Boogie Productions 8073151) in meinen Rega Apollo R. Was mir bereits über UKW BR1 aufgefallen war: Stimmen kommen äußerst klar und unverfärbt – eigentlich schon die halbe Miete. „Dani Sings Billie” ist nagelneu auf dem Markt, und ein absolutes Muss für Dani Klein und/oder Billie Holiday Fans. Da die 501 BS noch die wohlbekannte Auspack-Steifheit hatten, hielt ich mich mit der Lautstärke vornehm zurück, was bei dieser Musik jedoch kein Problem darstellt. Meine Befürchtungen, hier einige (wenige!) €uronen in den highfidelen Sand gesetzt zu haben, ließen bereits spürbar nach...
Eine Scheibe, die von warmen Farben nur so überquillt, ist Alison Moyet „Voice” (2004 Sanctuary, Universal Music). Hah, das war der richtige Griff! Ich liebe diese Platte heiß und innig, und hier stimmte eigentlich bereits alles. Auch hier muss man nicht groß am Poti drehen, um musikalisch-klanglich auf seine Kosten zu kommen – Stimmen kann die 501 BS, soviel ist bereits jetzt klar.
George Benson „Inspiration - A Tribute to Nat King Cole” (2013 Concord, Universal Music) geht mit großer Bigband heftig zur Sache – genau richtig, um der kleinen Auna die Muskeln zu lockern. Was sofort wieder auffällt: George Bensons edles Organ (jawohl, er singt, und wie!) hat diesen Nat-King-Cole-Glanz, der ihn fast schon verwechselbar mit dem Original aus den 50-er und 60-er Jahren macht – über die Auna sofort zu hören.
Robbie Williams „Swing When You're Winning“ (2001 Chrysalis, EMI) bietet Stimmen, Stimmen, Stimmen und insgesamt ganz großes Theater. Auch hier ist die 501 BS voll in ihrem Element und macht einfach nur Spaß. Es gibt Lautprecher mit richtig Muckis im Bass, die hier das Klangbild etwas aufdicken – die Aunas klingen wunderbar transparent mit tiefer Klangbühne – man kann eben offensichtlich nicht alles auf einmal haben...
Der absolute Glücksgriff war dann allerdings Jamie Cullum „Twentysomething” (2004 Emarcy Records, Universal). Ich weiss nicht, wie oft ich diese Scheibe in den letzten zehn Jahren gehört habe – ich kenne sie in- und auswendig. Die 501 BS hatten mittlerweile einige Stunden intensives Musikprogramm hinter sich. Die immer noch sehr schlanken aber eben auch sauberen Bässe in Verbindung mit der exzellenten Sprachverständlichkeit machten diese Hörsitzung zu einem unerwarteten Volltreffer. Besser habe ich das noch mit keinem anderen Lautsprecher gehört – Punkt. Ich vermute, dass die mittlerweile exotische geschlossene Bauweise hier Vorteile besitzt, die man in dieser Form heutzutage gar nicht mehr gleich erkennt.
Leonard Cohen „Live in London” (2010 Columbia, Sony Music) ist eine Doppel-CD der absoluten Sonderklasse: musikalisch aufregend, aufnahmetechnisch perfekt. Die 501 BS überzeugt auf der ganzen Linie, kein Detail verschwindet irgendwo im Hintergrund, die Durchhörbarkeit auch größerer Ensembles ist ganz ungewöhnlich.
Nach nicht einmal zwei Wochen Einspielzeit riskierte ich mit Yello „Touch Yello” (2009/20014 Universal, Warner/Chappell) eine Scheibe mit echten Tiefbässen und elaborierten Synthesizerklängen. Da ich schnell feststellen konnte, dass die Tieftonmembranen (nennen wir sie einmal so...) keine Anstalten machten, die Gehäuse nach vorne zu verlassen, lehnte ich mich entspannt und loungemäßig zurück: Die Tiefbässe waren natürlich nicht körperlich spürbar (115 mm Korbdurchmesser!) aber sehr angenehm und vor allem sauber (!) hörbar – mehr brauche ich eigentlich nicht...
Nach dem, was ich gerade so erzählt habe, müsste eigentlich der Verdacht aufkommen, dass ich aus Versehen die oben genannten 2.400-€-Edelteile gehört habe, und nicht ein Pärchen Auna 501 BS. Das kann ich jedoch mit Sicherheit ausschließen, denn bislang konnte ich mich zu dieser Anschaffung noch nicht durchringen. Wo ist denn da der Haken, die Dinger müssen doch irgendwelche gravierenden Mängel aufweisen? Nun, das hat mit meinem persönlichen Geschmack zu tun: Ich mag Lautsprecher gerne „hell und schnell”, und das sind die Aunas ganz ohne Zweifel. Ein kräftiger Bass ist für mich eher ein Nice-to-have, keine Conditio sine qua non (bitte googlen!). Wenn ich die Wahl habe zwischen wohligem Bassgegrummel und glasklarer Durchhörbarkeit, weiss ich was ich will – das sehen wahrscheinlich viele Leute anders. Die 501 BS erkauft diese Transparenz mit einem zugegebenermaßen etwas vorlauten Hochtonbereich: Wenn eine Aufnahme die Lizenz zum Tröten hat, dann wird das die Auna hörbar machen – garantiert. Verfärbungen im Mitteltonbereich werden ebenfalls schonungslos aufgedeckt: Aufnahmen die man eigentlich immer ganz erträglich fand, sind dies auf einmal nicht mehr... Wer seine gesamte Schallplatten-Sammlung mit Genuss durchhören will, ist mit einer Harbeth ganz sicher besser bedient. Wenn ich ein Toningenieur wäre und ein Mastering-Studio hätte, würde ich die 90 € riskieren und die 501 BS auf ihre Eignung als B-Monitor überprüfen: Was über diesen Lautsprecher gut klingt, ist auch gut – und umgekehrt...
Auf der anderen Seite ist es überraschend, wie viele Aufnahmen von der Frische und Agilität der 501 BS profitieren: Wenn man es grundsätzlich lieber aufregend mag, als einlullend, sind diese Lautsprecher eine interessante Erfahrung. Was noch erwähnt werden muss: Die Aunas verfügen über eine bemerkenswerte Dynamik. Plötzliche Lautstärkeattacken kommen ansatzlos und genau so heftig, wie beabsichtigt – gut aufgenommene Perkussion ist spektakulär. Hier hilft ganz sicher eine aus Kostengründen nur sparsam bestückte Frequenzweiche – manchmal ist weniger eben wirklich mehr...
Aufgrund des dominanten Hochtonbereichs bietet es sich übrigens an, die Lautsprecher in einer sogenannten LRX-Aufstellung (Left-Right-Crossing) anzuordnen. Hierzu werden die Boxen so weit nach innen gedreht, bis sich die Mittelachsen deutlich vor der Nase des Hörers kreuzen. In einem rechteckigen Raum strahlen die Lautsprecher dann in die gegenüberliegende Zimmerecke. Hier hilft ein kurzer Versuch – bei so kleinen und leichten Boxen ist das schließlich kein Problem.
Abschließend noch ein Wort zur ernsten Muse: Große Symphonik (Tschaikowski, Bruckner etc.) profitiert von der Transparenz und Dynamik – das sollte man unbedingt ausprobieren. Kleine Besetzungen (Kammermusik) können unter Umständen anstrengend werden – je nach Qualität und Spektrum der Aufnahme. Anne-Sophie Mutter „Carmen-Fantasie” (1993 Deutsche Grammophon) kommt spektakulär daher, die Solovioline bewegt sich jedoch manchmal im Bereich der Schmerzgrenze: Der große Hochtöner (25 mm) hat möglicherweise keine Befüllung mit Ferrofluid (keine Kritik!), und tönt völlig ungehemmt – allerdings verzerrungsfrei bis zu großen Pegeln.
Fazit:
Bei sorgfältiger Aufstellung und an hochwertiger Elektronik ein höchst interessanter Lautsprecher – spielt weit jenseits seiner Preisklasse.
Nicht nach seinem Auspackzustand beurteilen – nach drei Wochen Einspielzeit ist er nicht wiederzuerkennen...
Sehr edles Erscheinungsbild, ebenfalls weit jenseits seiner Preisklasse.
http://www.dosisnet.de/501BS.pdf